AMNOG-Kurzreport 2023: Evaluation des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes – Status Quo
Die mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz, kurz AMNOG, verbundene Einführung der nutzenbasierten Preisbildung neuer Arzneimittel war im Jahr 2010 ein zentraler Meilenstein hin zu mehr Transparenz und Preisangemessenheit im Markt für patentgeschützte Arzneimittel. Unter sich verändernden Rahmenbedingungen hat sich das bewährte „AMNOG-Verfahren“ seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Die Zunahme von Zulassungen neuer Arzneimittel mit noch sehr früher Evidenz über den tatsächlichen Nutzen bei gleichzeitig immer höheren Markteintrittspreisen hat in den letzten Jahren erneut zu größeren Reformdebatten geführt, in deren Folge mehrfach schon das „AMNOG 2.0“ ausgerufen wurde. Ganz so weit ist es aus Sicht der Autoren des AMNOG-Reportes noch nicht, die Grundlogiken des AMNOGs, hohe Preise für hohen Patientennutzen, gelten bis heute.
Mit dem im Oktober 2022 verabschiedeten GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) wurden zuletzt jedoch erneut umfangreiche Anpassungen am AMNOG-Verfahren vorgenommen. Der AMNOG-Report hat in einer ersten Ausgabe im März 2023 ein kritisches Zwischenfazit zu den mit diesem Gesetz verbundenen Neuregelungen gezogen. Mit dem Fazit einer steigenden Komplexität bei gleichzeitig erwartbar überschätztem (kurzfristigen) Ausgabendämpfungspotenzial fiel die Bewertung eher negativ aus. Der Gesetzgeber selbst hat mit Verabschiedung des GKV-FinStG eine Evaluation zum Jahresende 2023 vorgesehen. Die maßgeblichen Organisationen und Verbände haben sich deshalb im September 2023 mit Stellungnahmen zum Umsetzungsstand der Neuregelungen des GKV-FinStG geäußert.
Dabei zeigt sich: Nach der Reform ist vor der Reform. Denn, und das zeigen die Ergebnisse der Zwischenevaluation der AMNOG-bezogenen Maßnahmen des GKV-FinStG, realisieren sich bislang und auch absehbar im kommenden Jahr nicht die geplanten Einsparungen im Markt für patentgeschützte Arzneimittel (siehe Tabelle). Dies liegt auch daran, dass für den neu eingeführte Abschlag auf Kombinationstherapien bislang kein Rahmen für eine Abwicklung gefunden werden konnte. Fraglich ist zudem, ob die Verfeinerung der Regelungen im Sinne höherer Komplexität zu einer Verbesserung der Situation führen. So bleibt abzuwarten, ob die Minderung von Spielraum bei den Preisverhandlungen (insbesondere durch sog. „Leitplanken“-Vorgaben, ab welchem Zusatznutzen überhaupt ein Preiszuschlag gesetzlich erlaubt ist) zu substanziellen Einsparungen führt, ohne die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu beeinträchtigen. Der AMNOG-Kurzreport 2023 der DAK-Gesundheit wirft deshalb einen Blick auf den Status quo der Nutzenbewertung neuer Arzneimittel unter den seit dem GKV-FinStG geltenden Rahmenbedingungen.
Zwischenfazit zur Finanzstabilisierung durch das GKV-FinStG auf dem Arzneimittelmarkt
Einsparungen p.A.1 | |||||
Umsetzung offen? | Kollateral-Effekte? | FinStG | AMNOGR 03/23 | AMNOGR 10/23 | |
Rückwirkung Erstattungsbeitrag | nein | unwahrscheinlich | 150 Mio. €2 | ca. 80 Mio. €2 | vermutlich geringer |
Orphan-Umsatzschwelle | nein | möglich | 100 Mio. € | bis zu 50 Mio. € | bislang keine Überschreitung der Schwelle |
Pauschaler Kombinationsabschlag | bislang ungelöst | möglich | 185 Mio. € | nicht seriös berechenbar | bislang nicht umgesetzt |
Leitplanken für Erstattungsbeträge | eher ja | möglich | 250-300 Mio. € | vermutlich höher | noch nicht seriös berechenbar |
5-prozentige Anhebung des allgemeinen Herstellerabschlags | nein | möglich | rund 1 Mrd. € | nicht quantifiziert | ca. 1,2 Mrd. € |
p.A. – pro Jahr FinStG / AMNOGR: Einschätzung durch den Gesetzgeber bzw. eigene Berechnungen im Rahmen des AMNOG-Reportes. 1 Einspareffekte: Schätzung / Berechnung der jährlich erwartbaren Einsparvolumina. Eigene Berechnungen im AMNOG-Report basieren auf historischen Beobachtungen und nicht auf einer Extrapolation. 2 Bezieht sich auf die ambulant-ärztliche Versorgung. |
Stand heute zeigen sich weder bedeutende negative Kollateraleffekte im Sinne einer Vielzahl nicht oder nur verspätet in Deutschland eingeführter neuer Arzneimittel, sprunghaft angestiegene Marktrücknahmezahlen verfügbarer Arzneimittel (siehe Abbildung 2) noch bedeutende zusätzliche Einsparungen für die GKV (Ausnahme: der für das Jahr 2023 um fünf Prozentpunkte erhöhte Herstellerabschlag). Eine Aktualisierung der Evaluation in wenigstens einem Jahr erscheint deshalb geboten.
Hinweis zu Abbildung 1: Bei der Betrachtung der medianen Zeit zwischen Zulassung und Markteinführung ist zu berücksichtigen, dass einige der zuletzt zugelassenen, aber noch nicht in Deutschland verfügbaren Arzneimittel noch innerhalb der erwartbaren Zeitspanne liegen. Andere, derzeit nicht aber ggf. später noch verfügbare neuzugelassene Arzneimittel konnten bei der Berechnung ebenfalls nicht berücksichtigt werden.